Als Karen L. King im September 2012 in Rom das kleine Fragment eines fast 2000 Jahre alten Textes auf einem vergilbten, beidseitig beschriebenen Papyrus der Öffentlichkeit als Ergänzung Teil ihres bereits 2003 veröffentlichten MARIA MAGDALENA-Evangeliums präsentierte, ging ein Aufschrei um die Welt. Denn dieses spezielle Papyrusstück enthielt eine Textpassage, in der Maria Magdalena als „die Frau von Jesus“ bezeichnet wird. Sehr schnell wurden die ersten Stimmen laut, diese Entdeckung in das Reich der Fälschungen zu verbannen.
In ihrem Buch Das Evangelium von Maria Magdalena hatte die Religionswissenschaftlerin ihre jahrelangen Forschungs- und Übersetzungsergebnisse einer koptischen Schrift, die in der frühchristlichen Zeit entstanden war, zusammengefasst. Die darin enthaltenen Texte weisen darauf hin, dass Maria Magdalena als weiblicher Apostel an Jesus’ Seite, wenn nicht sogar als sein „Lieblingsjünger“ tätig war. (Auszüge daraus werde ich in dieser Blogserie veröffentlichen).
Um noch einmal auf den kleinen Papyrusfund zurückzukommen, der angeblich beweisen soll, dass Jesus und Maria Magdalena ein Naheverhältnis hatten, vielleicht sogar Mann und Frau waren: Wie zu erwarten war, wurde die Echtheit dieses Fundes von Kirchenseite natürlich massiv in Frage gestellt.
Karen L. King konnten den Anhängern der Fälschungstheorie mit guten Argumenten widersprechen, denn bei dem Papyrus handelt es sich tatsächlich um ein historisches Dokument, wie Radiokarbontests eindeutig bewiesen. Doch wahrscheinlich konnte die Wissenschaftlerin dem übergroßen Druck seitens der mächtigen Glaubensvertreter nicht länger standhalten und gab klein bei, indem sie 2016 die Echtheit des Fragments seltsamerweise plötzlich nicht mehr bestätigen wollte.
Dabei drängt sich mir die Frage auf, was sie alles wusste und besser hätte nicht wissen sollen, um ihrer persönlichen Sicherheit willen. Denn nicht immer ist die Wahrheit für Entdecker neuer Erkenntnisse erfreulich und zuträglich, schon gar nicht dann, wenn dadurch 2000 Jahre alte Thesen und Glaubensdoktrinen in Frage gestellt werden könnten.