„Seid gegrüßt, ich bin Nikodemus! In eurer Konsumgesellschaft wird sehr häufig über Bedürfnisse gesprochen. Meist geht es darum, materielle Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist auch in Ordnung so, aber es sind nicht die einzigen Bedürfnisse, auf die ihr achten solltet. Genauso wichtig – wenn nicht sogar wichtiger – sind eure emotionalen Bedürfnisse. Denn jeder von euch hat den Wunsch nach Nähe und Zuneigung, nach Liebe und Verständnis. Da diese Bedürfnisse von euch oft nicht beachtet oder sogar verdrängt werden, versucht ihr, eine Ersatzebene dafür zu finden, um sie auf andere Weise zum Ausdruck zu bringen.

Anders ausgedrückt bedeutet das, dass ihr über eure Bedürfnisse nach Zuwendung, Bestätigung, Aufmerksamkeit oder Anerkennung nicht sprecht, sondern diese über (oft sogar unbewusste oder uneingestandene) Machtspielchen, übertriebene Selbstdarstellung, Ellenbogen-Taktik oder ähnliche Verhaltensweisen zu kompensieren versucht.

Dabei wäre es so einfach, über eure Bedürfnisse zu sprechen, indem ihr beispielsweise sagt: ‚Ich brauche deine Nähe’ oder ‚Bitte hilf mir’ oder ‚Ich brauche mehr Abstand’ oder ‚Damit bin ich überfordert’. Nein, ihr versucht es über die indirekte Schiene. In der Hoffnung, dass euch die anderen verstehen, setzt ihr Zeichen, anstatt eure Bedürfnisse klar auszusprechen. Doch diese Signale werden oft missverstanden, übersehen oder falsch interpretiert. Dann fühlt ihr euch nicht ernstgenommen, nicht akzeptiert oder nicht respektiert. Und damit dreht ihr euch im Kreis.

Manche von euch empfinden es als Schwäche, über ihre Bedürfnisse zu sprechen. Sie scheuen sich davor, andere um etwas zu bitten oder einzugestehen, dass es ihnen nicht gut geht. Andere wiederum vergreifen sich im Ton, wenn sie über ihre Bedürfnisse reden – und dann werden ihre Worte als Befehle oder Übergriffe aufgefasst.

Bedürfnislosigkeit wurde über viele Jahrhunderte, wenn nicht sogar noch länger, zu einer Tugend hochstilisiert, Anspruchslosigkeit wurde wertgeschätzt. Das ist eine falsch interpretierte Form von Bescheidenheit, die niemandem nützt, sondern nur frustriert oder unglücklich macht. Der Mensch ist nicht in diese Welt gekommen, um in Armut zu leben – außer er hat sich das definitiv in diesem Leben als Lernaufgabe vorgenommen –, sondern um Zufriedenheit und Ausgeglichenheit zu erfahren. Wohlstand und Fülle sind eine weiterentwickelte Form davon, die natürlich auch gelebt werden darf. Doch das ist eine andere Geschichte.

Meine Aufgabe ist es, euch dabei zu helfen, eure Bedürfnisse äußern zu lernen und zu ihnen zu stehen, auch wenn es anfangs für euch vielleicht ungewohnt oder unbequem ist. Ich bin an eurer Seite! Seid gegrüßt!“

 

© übermittelt von Ingrid Auer

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